„Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen“, sagte Goethe einmal. Ich konnte ihm nur zustimmen als wir nach 16 Tagen in Tansania am Kilimanjaro Airport auf den Rückflug warteten. Eine solche Menge an Erfahrungen in so kurzer Zeit ist nur schwer in Worte zu fassen, doch ich versuche Ihnen einen Einblick in unsere Erlebnisse an der One World Secondary School Kilimanjaro (OWSS) in Kisangara vom 17. September bis 2. Oktober 2013 zu vermitteln.
Nach ca. 30 Stunden Reise kamen wir am Morgen des 17. Septembers geschafft, aber voller Tatendrang in Kisangara an und wurden direkt von dem Leiter der OWSK, Dr. Karl-Heinz Köhler und seiner Frau Swantje, sowie den beiden deutschen Volontären Georg Windmeier und Tonja Dingerdissen herzlich begrüßt und auf unsere Zimmer gebracht.
Wir, das sind Said Djamil Werner (18), Mark Kamphausen (19), Philine Dinnebier (17) und ich, Alena Holzknecht (17), und zusammen bilden wir den Kern der Leitung des MoveForwardProject. Wir wurden zur ersten europäisch-afrikanischen Schülerakademie an der OWSK, mit dem Thema „Local solutions for global questions“, einschließlich einer Vorbereitungswoche eingeladen.
Nachdem wir also unsere Schlafräume bezogen hatten, trafen wir uns im Haus der Köhlers um eine erste Lagebesprechung zu erledigen. Weil sich Jungen auf keinen Fall dem Mädchenschlafsaal nähern dürfen und umgekehrt genauso, sollte die gemütliche Terrasse vor dem Haus in den folgenden Wochen unseren Treffpunkt darstellen.
Da die Köhlers an diesem Tag eine Vertretungsstunde gestalteten, luden sie uns gleich ein mitzukommen um die 22 Schülerinnen und Schüler der ersten und bis jetzt einzigen Klasse der Schule kennenzulernen.
So verbrachten wir, nach einer kurzen Vorstellungsrunde, eine Doppelstunde mit der Klasse, in der wir in kleinen Gruppen verschiedene Aspekte von nachhaltigen Energiequellen erarbeiteten und anschließend die Ergebnisse zusammen vorstellten.
Als besonders beeindruckend empfand ich es, als wir in meiner Gruppe darüber sprachen wer genau Veränderungen in diesem Bereich bewirken kann und alle fast zeitgleich “We!“ riefen, ohne groß darüber nachzudenken. Augenscheinlich werden die Schülerinnen und Schüler ständig dazu angeregt selbst nach Lösungen zu suchen und so kreativ zu werden. So kam es, dass wir uns schnell mittendrin im Geschehen befanden und so aktiv am Schulleben teilnehmen konnten. Gleich nach der Vertretungsstunde war Mittagessen angesagt, welches wir zusammen mit den Schülern im Speisesaal gleich nebenan bekamen. Natürlich wurde uns sofort die richtige Technik zum Essen mit den Händen beigebracht und die Kinder hatten viel Spaß dabei zuzusehen wie wir uns anstellten. Zwar gab es auch Löffel, aber so schnell wollten wir natürlich nicht aufgeben!
Den Nachmittag verbrachten wir mit der Planung der nächsten Tage und einer Erkundung des weitläufigen Schulgeländes. Auf dem eigentlichen Areal der OWSK stehen bis jetzt drei Gebäude: Eines, in dem ein Speisesaal, Lehrer- und Volontärzimmer, sowie ein Klassenzimmer untergebracht sind, der Jungenschlafsaal und daneben die Waschsäle und Toiletten. Ein weiteres Gebäude, in das ein Physik- und Chemielabor sowie ein Multimediaraum kommen sollen, war zurzeit in Bau. Auffallend waren die zwei Konstruktionen im Garten des Geländes, welche, so wurde uns später eifrig erklärt, die Biologie-Projekte darstellten. Es wurden eine Biogasanlage und eine Anlage zur Aufbereitung des von Bergen kommenden Wassers in Miniaturform konstruiert. Die Pläne dafür hatten die Schüler im Unterricht ausgearbeitet und danach direkt draußen im kleineren Maßstab umgesetzt.
Das Haus der Köhlers, die große Kochstelle und der Mädchenschlafsaal befinden sich auf dem Gelände der benachbarten Msafiri Primary School. Allerdings soll das Girls Dormitory zeitnah auf das Grundstück der OWSK verlegt werden.
Um kurz vor 19 Uhr wurde es fast schlagartig Nacht und wir suchten im Dunkeln den Weg zum Speisesaal, denn jemand hatte bereits die große Glocke geläutet um das Essen anzukündigen. Am Ende des Tages freuten wir uns früh ins Bett gehen zu können um unseren Schlafmangel endlich kompensieren zu können.
Im Laufe unseres Aufenthaltes lernten wir Tansanias Esskultur sehr gut kennen: Meist gab es Reis oder Ugali, ein Brei aus Maismehl, mit Makande, einem Bohneneintopf, oder Mchicha, eine Art Spinat mit Zwiebeln. Etwas Typisches ist auch Pilau, ein Reisgericht, mit Gurken-Tomatensalat. Zum Frühstück gab es entweder Porridge aus Maismehl mit Bananen und Orangen, oder die von den Köchinnen selbst gemachten Sconsi, also leicht süßliche Brötchen, auf die sie sehr stolz sind.
Es wird also fast ausschließlich vegan gekocht, da es nur wenig Milchprodukte und Eier gibt und diese sich ohne Kühlschrank sowieso nicht lange lagern lassen. Etwa einmal in der Woche gibt es Fleisch, fast ausschließlich vom Rind, und zu besonderen Anlässen wird schon einmal ein Huhn geschlachtet und mit den von den Kindern so sehr geliebten Chipsi, also Pommes Frites, Süßkartoffeln, oder gebratenen Kochbananen serviert.
In den folgenden Tagen hatten wir einiges zu erledigen. Zunächst fand eine weitere Besprechung mit den Köhlers und den Volontären statt um die Aufgaben, die vor der Schülerakademie erledigt werden sollten, aufzuteilen. So mussten Teilnehmerlisten und ein Lageplan erstellt – und Informationsmappen für die Teilnehmer gepackt werden. Auch sollten wir drei Stellwände zur Moderation der Workshops bauen und vorher das Material dafür im Dorf kaufen. All diesen Dingen gingen wir also nach, jedoch besuchten wir zwischendurch oft den regulären Unterricht um einen noch besseren Eindruck von der pädagogischen Arbeit zu erhalten.
Mit jedem Tag wurde ich glücklicher genau dieses Projekt der OWSK zu unterstützen, da ich immer mehr erlebte, mit wie viel Herz und Weitsicht an der Schule gearbeitet wird. Vor allem die Zusammenarbeit der Afrikaner und Europäer beruht auf einer Menge Respekt und Vertrauen beiderseits. Um hier weiterzukommen und Herausforderungen zu meistern, wie die Registrierung der Schule, oder eine langfristige Strom- und Wasserversorgung zu erhalten, muss man bereit sein von Anderen zu lernen, flexibel zu sein und bedacht zu handeln. Gut funktionierende Teamarbeit eben!
Beispielsweise wird die didaktische Leitung der Schule von einem der afrikanischen Lehrkräfte, Mr. Lazarus übernommen. Dieser koordiniert somit beispielsweise Stundenpläne, Vertretungsstunden und maßgebliche Inhalte der Unterrichtsfächer, etc.
Im Austausch mit den Lehrern war immer wieder zu spüren wie stolz sie sind an dieser Schule zu arbeiten und welche Überzeugung dahinter steckt. Auf die Frage etwa warum er Lehrer geworden sei, antwortete Mr. Lazarus, der Physik- und Mathelehrer, dass er es als seine Bestimmung ansehe einen Teil an der Entwicklung Afrikas, durch die Unterstützung der jungen Generationen, mitzugestalten.
Ein weiteres Thema, das immer wieder aufkam, war die körperliche Züchtigung der Schülerinnen und Schüler an tansanischen Schulen. Eine Methode, die fast überall in Afrika ein gängiges „Erziehungsmittel“ darstellt. Natürlich nicht an der OWSS, denn es soll „beidseitiger Respekt statt Angst vermittelt werden“, so der didaktische Leiter Mr. Lazarus. Die OWSS ist inzwischen für viele Schulen in der Umgebung zum Vorbild geworden und es wird oft gefragt wie man Unterricht ohne Gewalt gestalten kann, denn schon alleine dadurch, dass dort nicht geschlagen wird, weist man den Weg in eine bessere Richtung.
Die ganze Woche lang führten wir viele verschiedene Interviews. Dazu befragten wir fast jeden, der etwas mit der OWSS zu tun hat: Karl-Heinz und Swantje Köhler, Mr. Lazarus, Mr. Mtango und Mr. Issaac, die Lehrer, Tonja und Georg, die Volontäre, fast alle Schüler, Upendo, eine der Köchinnen, usw. Die Ergebnisse werden in unserem Film, der bei der Abschlussveranstaltung im Dezember gezeigt werden soll, zu sehen sein.
An einem der anderen Tage unserer ersten Woche fuhren wir in das etwa 1,5 Busstunden entfernte Moshi, wo wir Stadtluft schnupperten, Souvenirs erstanden und noch mehr leckeres Essen probierten. Schon alleine die Fahrt war ein Erlebnis – ein Bus mit der wohl doppelten Anzahl von Passagieren als eigentlich darin Platz gehabt hätten, auf holprigen Straßen und mit millimetergenau ausgemessenen Ãœberholmanövern. Der Tag war abenteuerlich und wir lernten auch eine kleines Facette des Lebens außerhalb der Schule kennen.
Eine Woche nachdem wir angekommen waren, mussten Marc und Philine leider wieder abreisen, da für sie nur eine Woche Aufenthalt in Afrika möglich war. Djamil und ich konnten jedoch noch eine weitere Woche als Vertreter des MoveForwardProject und als Helfer der Schülerakademie bleiben.
Bevor die etwa 40 anderen Teilnehmer aus Deutschland und Kenia ankamen, gab es noch alle Hände voll zu tun. Am späteren Nachmittag des nächsten Tages erreichten die bayrischen Schüler mit ihrer Begleitlehrerin ihr Ziel, doch der zweite Teil der deutschen Gruppe, der aus Hamburg anreiste, saß noch am Flughafen in Addis Abeba, Äthiopien, fest und so musste eine kleine Begrüßung ohne sie stattfinden. Auch Professor Elizabeth Kiondo, die UNESCO-Generalsekretärin von Tansania, war schon aus der Hauptstadt Dar es Salam angereist und die Gruppe aus Kenia kam nach mehreren Tagen Busfahrt ebenfalls heil an.
Donnerstag Morgen machte sich Djamil dann mit einem geschickten Bus auf den Weg zum Flughafen Kilimanjaro um die aus Hamburg gestarteten Teilnehmer, die inzwischen angekommen waren, abzuholen. Als am Abend des selben Tages endlich alle Teilnehmer mitsamt den Workshopleitern Kathy und Lothar Nierenz, Lutz Mauk, Philip Miles Pankow und dem Landeskoordinator der UNESCO- Projektschulen Niedersachsen Heinz-Jürgen Rickert angekommen
waren, konnte endlich mit dem Programm begonnen werden.
So wurden einige Projekte der verschiedenen Schulen zum Thema Nachhaltigkeit präsentiert und auch die Biogas- und Wasseraufbereitungsanlage der tansanischen Schüler wurde bestaunt.
Ein Highlight für mich, war die Keynote Speech von Prof. Kiondo, in der vor allem viele Themen – wie das tansanische Schulsystem, die komplizierte Bürokratie und allgemeine Armut von einem anderen Standpunkt aus geschildert wurden.
In den folgenden Tagen gab es zunächst die Möglichkeit sich für einen der drei folgenden Workshops zu entscheiden: Energie, Bildung/Schule, oder Konsumverhalten. Auch fand eine Debate Competition, ein Debatierwettbewerb zum Thema „Education or Money?“ statt. Ein weiterer Höhepunkt der Woche, da alle Mitstreiter einfallsreich und schlagfertig argumentierten und die Diskussion auch nach dem Ende des Wettbewerbs nicht endete (noch eine halbe Stunde später konnte man die Schüler diskutieren hören).
Eine Safari war ebenfalls eingeplant. Aus einigen Stunden beengtem Busfahren, vielen wunderschönen afrikanischen Tieren, noch mehr Busfahren, zwei Pannen und der daraus resultierenden mehrstündigen Wartezeit lässt sich zusammenfassen, dass der Tag ein absolutes Abenteuer war! Am schönsten war es allerdings zu sehen wie entspannt alle blieben als wir nach der ersten Panne und einem improvisiertem Abschleppverfahren mitten in der Nacht sehr lange auf einen Ersatzbus warten mussten. Zusammen fing man an zu singen und sich Geschichten zu erzählen, ohne sich ein einziges Mal zu beschweren. Die afrikanische Gelassenheit hatte anscheinend auf uns alle abgefärbt.
Das Programm verschob sich durch unsere Verspätung und die Ankunft um 8 Uhr morgens statt abends zuvor zwar erneut, doch nach ein wenig Schlaf konnte es mit den Art Workshops „From Head to Heart“ in Form von Tanz, Musik und Theater weitergehen.
Am letzten Abend wurde das Erarbeitete aus den zahlreichen theoretischen und künstlerischen Workshops vorgeführt, Zertifikate für die Teilnahme an der Akademie – vergeben und anschließend ein großes Festessen veranstaltet.
Die Stimmung war ausgelassen, man tanzte, machte Fotos und genoss die Zeit miteinander.
Leider war am darauffolgenden Tag auch für uns, wie für alle anderen Teilnehmer aus Deutschland und Kenia, die Zeit gekommen unsere Sachen zu packen und sich zu verabschieden. Ich hatte alle, aber vor allem die Kinder der OWSK, in den zwei Wochen schon so sehr ins Herz geschlossen, dass ich auf der Fahrt zum Flughafen mit Zwischenstopp in Moshi einige Zeit brauchte, um zu realisieren, dass es wohl eine ganze Weile dauern würde bis wir uns wieder sehen würden.
Am Kilimanjaro Airport verabschiedeten wir uns auch nach und nach von den deutschen Gruppen und nach weiteren 14 Stunden Wartezeit konnten wir endlich unser Flugzeug nach Addis Abeba besteigen, von wo wir dann weiter nach Frankfurt flogen. Ich nutzte die Zeit vor allem um nun meine Eindrücke sacken zu lassen und niederzuschreiben.
Abschließend kann ich nur sagen, dass ich nach unserem Besuch an der One World Secondary School Kilimanjaro noch froher und stolzer bin, dieses einzigartige Projekt zu unterstützen und mich unheimlich glücklich schätze diese einmaligen Erfahrungen gemacht haben zu dürfen!
Asante sana na kwa hier.
Herzlichen Dank und bis bald.
Ihre Alena Holzknecht
(Projektleitung MoveForwardProject)